Energy Law Quarterly - Virtueller Zusammenschluss zum Eigenverbrauch (vZEV)
Einleitung
In der Schweiz entschliessen sich immer mehr Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer dazu, eine Photovoltaikanlage («PV-Anlage») auf ihrem Gebäude zu errichten. Der Strom einer PV-Anlage kann direkt für den Eigenverbrauch genutzt oder gegen eine Entschädigung in das Stromnetz eingespeist werden.
Um die Nutzung von PV-Anlagen möglichst effizient zu gestalten und den Eigenverbrauch weiter zu fördern, wurde mit ein paar wenigen Anpassungen des schweizerischen Energiegesetzes (EnG) und der Energieverordnung (EnV) per 1. Januar 2025 die Grundlagen für den virtuellen Zusammenschluss zum Eigenverbrauch geschaffen (nebst dem physischen Zusammenschluss zum Eigenverbrauch «ZEV»).
ZEV und vZEV
Bei einem ZEV schliessen sich mehrere Endverbraucher zusammen, um den eigens produzierten Solarstrom gemeinsam zu verbrauchen. ZEV-Mitglieder mit einer PV-Anlage profitieren von einem besseren Tarif für den Verkauf des Stroms an die übrigen ZEV-Mitglieder, als wenn sie den Strom in das öffentliche Stromnetz einspeisen. Zudem vermeiden sie mit dem Eigenverbrauch die Tarife für die Netznutzung, die der Verteilnetzbetreiber erheben würde.
Gegenüber dem Verteilnetzbetreiber («VNB») tritt der ZEV als ein einziger Endverbraucher auf. Es besteht eine Anschlussleitung und ein Stromzähler des VNB. Die einzelnen ZEV-Mitglieder sind nicht mehr Endverbraucher des VNB. Die ZEV-Mitglieder sind mit privaten Leitungen für elektrische Energie verbunden und mit einem privaten Zähler ausgerüstet. Die ZEV-Verwaltung stellt die entstehenden Kosten den jeweiligen Endverbrauchern aufgrund der Messdaten der privaten Zähler in Rechnung.
Auch mit dem vZEV soll der Eigenverbrauch gefördert werden. Wie beim ZEV wird auch ein vZEV vom Verteilnetzbetreiber als ein einziger Endverbraucher behandelt. Bei einem vZEV kann jedoch im Unterschied zu einem ZEV für die Verbindung der ZEV-Teilnehmer am Ort der Produktion auf die Anschlussleitung des Verteilnetzbetreibers zurückgegriffen werden. Gestützt auf die Ergänzung in Art. 16 Abs. 1 EnG ist die Verwendung von bestehenden Anschlussleitungen des VNB für den Eigenverbrauch zulässig. Daher können beim vZEV im Gegensatz zum ZEV die Leitungen des VNB genutzt werden und es müssen nicht private Leitungen verlegt und finanziert werden.
Der Verteilnetzbetreiber ermittelt mittels eines virtuellen Messpunkts den Bezug und die Rückspeisung von Strom bloss rechnerisch («virtuell»). Der Verteilnetzbetreiber fasst am virtuellen Messpunkt periodisch die Messdaten zusammen und übermittelt diese Daten dem Ansprechpartner des vZEV. Die Abrechnung für die einzelnen Mitglieder des vZEV ist (wie beim ZEV auch) von diesen selbst vorzunehmen.
Vorteile des vZEV
Aufgrund der Möglichkeit, die bestehende lokale Infrastruktur zu benutzen, können beispielsweise gegenüberliegende Grundstücke, zwischen denen eine Quartierstrasse liegt, gemeinsam einen vZEV bilden, indem sie die bestehenden Anschlussleitungen des VNB für die Weiterleitung von selbst produziertem Strom nutzen. Voraussetzung ist, dass die Anschlussleitungen und die lokale elektrische Infrastruktur auf der Spannungsebene unter 1 kV liegen (Art. 14 Abs. 3 EnV). Im Gegensatz zum ZEV ermöglicht ein vZEV daher den Zusammenschluss zum Eigenverbrauch in einem grösseren geographischen Umkreis.
Gründung des vZEV / ZEV
Ein vZEV / ZEV wird mit einer Vereinbarung unter den Mitgliedern des Zusammenschlusses geschlossen. Die Vereinbarung regelt z.B. die Fortbestands- und Mitbenutzungsrechte an der PV-Anlage, eventuell mittels eines Dienstbarkeitsvertrags. Die Modalitäten der Nutzung und Abrechnung können in einem Reglement festgelegt werden. Bei einer Stockwerkeigentümerschaft kann das bestehende Reglement allenfalls ergänzt werden. Bei Parteien in Miet- oder Pachtverhältnissen ist ein Vertragszusatz zum Miet- oder Pachtvertrag anzubringen.
Die Mitteilung einer Gründung muss beim Verteilnetzbetreiber drei Monate im Voraus eingereicht werden und den Vertreter oder die Vertreterin des Zusammenschlusses bezeichnen.
Ab 1. Januar 2026: Lokale Elektrizitätsgemeinschaft («LEG»)
Ab dem 1. Januar 2026 ist die Gründung von sogenannten lokalen Elektrizitätsgemeinschaften («LEG») zulässig. Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer erhalten so die Möglichkeit, selbst erzeugte Elektrizität innerhalb eines Quartiers oder sogar innerhalb einer Gemeinde über das öffentliche Verteilnetz zu verkaufen. Die Mitglieder einer LEG müssen sich dazu im gleichen Netzgebiet, auf der gleichen Netzebene und örtlich nahe beieinander befinden. Entsprechende Karten von Netzbetreibern zeigen auf, wo künftig solche LEG möglich sind.
Die Modelle des vZEV und des LEG zeigen vielversprechende Ansätze zur Steigerung des Eigenverbrauchs. Sie haben das Potenzial, den Ausbau von Photovoltaikanlagen in der Schweiz weiter voranzubringen und die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien nachhaltig zu steigern. Ob diese Modelle nachgefragt werden, wird sich bald schon zeigen.
Ein Beitrag von Marc Grüninger, Patrizia Lorenzi